
Vertraute Rolle: Thomas Gottschalk moderiert
Foto: Claudius Pflug / ProSiebenEs gibt diesen einen Moment, in dem zwei Showwelten aufeinanderklatschen wie zwei Seehunde beim Brustbump. Joko Winterscheidt, gerade Kandidat in seiner eigenen Show, muss in einer Spielrunde all das wortwörtlich wiederholen, was ihm sein ihm ungebeten verpasster Joker Klaas Heufer-Umlauf auf seinen Knopf im Ohr flüstert, Thomas Gottschalk, der sich in der vergangenen Ausgabe von »Wer stiehlt mir die Show?« die Moderationsrechte für diesen Abend erspielt hat, stellt dazu die Fragen.
Natürlich nutzt Heufer-Umlauf diese Chance, Winterscheidt wie eine Bauchrednerpuppe zu spielen und lässt ihn ein pennäleriges »Du, Herr Gottschalk, ich muss mal pullern« und »Ich bin ein Bi-Ba-Butzemann« dazwischenkrähen. Gottschalk, sichtlich irritiert, hebt kurz die Braue und findet keine passende Reaktion auf den Klamauk, und es fühlt sich für einen Moment an, als clashten hier tatsächlich kurz zwei Systeme, zwei unterschiedliche Interpretationen von Unterhaltungsfernsehen.
Hier Gottschalk und die souveräne Süffisanz vergangener Moderationstradition, die den Showkahn mit fester Kapitänshand durch das Kanalsystem der formatspeziellen, verlässlichen Regeln manövriert. Dort Joko und Klaas und der quietschfidele Quatschwille, der Showkonventionen auch mal auf dem eigenen Schädel zerdeppert und neu und bisher ungesehen wieder zusammenpuzzelt.
Die Idee zu »Wer stiehlt mir die Show?« generell und diese spezielle Gottschalk-geführte Edition im Besonderen ist ein gutes Beispiel für diesen Spaß an der De- und Rekonstruktion bestehender Fernsehmuster. Ein paar Spielrunden später wird nämlich tatsächlich der Fall eintreten, dass Eigentlich-Moderator Winterscheidt, zurückgestuft zum Kandidaten, aus seiner eigenen Show ausscheidet, sie vorzeitig verlassen muss – aber die Show läuft ohne ihn weiter. Es ist ein hochgradig paradoxer Moment, der dem Showgenre, das man als routinierter, jahrzehntelanger Zuschauer längst in allen möglichen Variationen auserzählt und vor allem auch ausgeglotzt wähnte, tatsächlich noch einen neuen Dreh abtrotzt.
Die Show-Idee funktioniert überraschend gut
So interessant das Konzept dieser Show als Bauplan aussieht – die Grundidee, dass jedes Mitglied des Rateteams potenziell die Chance hat, das Format als tatsächlich auch formender Moderator zu übernehmen –, so überraschend gut funktioniert die Variante, in der nun also Gottschalk den Host gibt, weil er in der vergangenen Woche das Finalspiel gegen Winterscheidt gewann.
Ein bisschen fühlt sich diese Erkenntnis an wie der wohlige Retromoment, in dem man das Emulator-Programm entdeckte, mit dessen Hilfe man plötzlich wieder die alten C64-Spiele auf einem heutigen Rechner laufen lassen kann, und alles sich tatsächlich stotterfrei zusammenfügte.
Kurzes Coaching bei Jauch – dann kann es losgehen
Auch wenn einem die reflexhaften Frischgebadet-Reminiszenzen sonst eher auf die Nerven gehen, mit denen Menschen eines gewissen Alters ja gern die glanzvolle Vergangenheit des inzwischen weitgehend abgewrackten Genres der großen Samstagabend-Show beschmachten – man kam beim Zuschauen nun nicht umhin, bei sich selbst eine flaumige Frotteebeschichtung zu spüren.
Gottschalk bezieht die Fremdshow, wie man sich in einer möblierten Wohnung einrichten würde, von der man weiß, dass man hier nicht allzu lange bleiben wird, die man aber trotzdem zumindest improvisiert zu seinem eigenen Raum machen möchte. Wie man also ein paar ausgewählte Möbel gegen eigene, mitgebrachte Stücke tauschen würde, dekoriert er zentrale Stimmungsmomente um, kommt zu Van Halens »Jump« die Showtreppe herunter, klingelt kurz für ein kleines Quizmaster-Coaching bei Kumpel Günther Jauch durch und stellt gleich in der ersten Raterunde ausschließlich Fragen, die er wohl selbst gern beantwortet hätte.
Ganz ohne Wetten-dass-Nostalgie geht es nicht
Als Winterscheidt die Frage, welches Beatles-Mitglied den legendären Höfner-Bass 500/1 gespielt habe, mit »Ringo Starr« antwortet, entfährt Gottschalk ein herzhaftes »Du Depp«, immer wieder beharkt er den enteigneten Showbesitzer, verspottet dessen »Konfirmationsanzug« und mangelnde ABBA-Textsicherheit, als performte er eine Coverversion der klassischen Joko-Klaas-Piesackereien.
Vor allem aber gotttschalkt er sich über weite Strecken durch die Show, als sei das immer schon seine. Beklagt, dass ihm niemand gesagt habe, dass er als Moderator auch proben müsse ("Ich bin völlig verhärmt."), streut immer wieder seinen rockonkeligen Musikgeschmack ein, indem er etwa die Publikumskandidatin Lily mit »Pictures of Lily« von The Who ansingt und erzählt natürlich Wetten-dass-Dönekes: An der auf seinen Wunsch eingerichteten Bar mixt er Appletinis für Winterscheidt und das restliche Rateteam, Palina Rojinski und Elyas M’Barek und macht dabei den betrunkenen Kreiselkopf von Peter O’Toole nach, der seinerzeit angeschwipst bei ihm auf dem Wettsofa gesessen habe.
Als Winterscheidt an der Bar fummelt, ist Gottschalk irritiert
Winterscheidt lacht dazu sein Gequälter-Autoanlasser-Lachen, erträgt duldsam alle Gottschalk-Spitzen, verlässt widerstandslos seine Show, als er nach dem zweiten Quizblock die wenigsten Punkte hat. Um wenig später, noch so ein Clash-Moment der Showsysteme, in kurzen Hosen und leicht derangiert wieder in die Szenerie zu platzen und sich an der Bar zu schaffen zu machen. »Darf der das?«, fragt Gottschalk, leicht irritiert: »Das wäre ja so, als wäre ich reingekommen, als Lippert moderiert hat.«
Am Ende zeigt er sein unverwüstliches Showgespür, indem er erkennt, dass dieser Abend zwar wunderbar funktionierte, aber womöglich tatsächlich nur als Ausnahme und Abweichung, die nicht zur Serie taugt: Im Finalspiel gegen Elyas M’Barek kann man sich des Eindrucks nicht ganz erwehren, Gottschalk habe die Fragen womöglich nicht mit allem abrufbaren Engagement beantwortet.
Also wird die Show in der nächsten Woche zum Finale dieser ersten Staffel in den Händen des Schauspielers liegen, der sich damit den Traum erfüllt, der Winterscheidt vorerst nicht vergönnt war: Eine Show zu übernehmen, die zuvor Thomas Gottschalk moderierte.
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