In Phil Foden und Kylian Mbappé sahen viele Experten die Stars der EM. Das hat sich mit der Vorrunde erledigt. Die alte Garde um Toptorjäger Cristiano Ronaldo drängt mit Topleistungen zurück ins Rampenlicht.
Als Kroatien im letzten Gruppenspiel der laufenden Fußball-Europameisterschaft mit dem Rücken zur Wand stand, war einmal mehr die Zeit gekommen, dass der Kapitän das Heft selbst in die Hand nahm. Mit dem Außenrist schlenzte Luka Modric den Ball von der Strafraumkante ins linke Eck des Tores. Keeper David Marshall streckte sich vergeblich. Das Traumtor des 35-Jährigen war ein Ausrufezeichen, ein Weckruf an seine lethargischen Mitspieler, aber es war eben auch das Zeichen: Ihr könnt jederzeit auf mich zählen.
Eben diese Leitwolfmentalität brachten am abschließenden Gruppenspieltag auch Robert Lewandowski, Karim Benzema und Cristiano Ronaldo auf den Platz: Sie alle trafen doppelt für ihre Nation. Für Portugals Ronaldo waren es beim 2:2 gegen Benzemas Frankreich bereits die Turniertreffer vier und fünf. Vor Beginn der K.o.-Runde führt der 36-jährige Ex-Weltfußballer die EM-Torjägerliste an.
Von solchen spielentscheidenden Leistungen können die vor Turnierbeginn von Beobachtern und Experten in den Himmel gelobten Toptalente Phil Foden (England) und Kylian Mbappé (Frankreich) derweil nur träumen. Auf dem Torkonto beider Jungstars herrscht Flaute. Erleben wir also eine EM der Legenden, ein Turnier, in dem die alten Veteranen den Karren aus dem Dreck ziehen?
Frankreichs Benzema: "Es war ja nur ein Spieltag"
Frankreichs Doppelpacker Benzema wiegelt ab. "Es war ja nur ein Spieltag, an dem die erfahrenen Spieler den Unterschied gemacht haben", erklärt der Stürmer nach dem Portugal-Remis auf Nachfrage von t-online. Benzema weiter: "Auf dem Platz stehen immer elf Spieler, die alle ihr Bestes geben müssen. Ich hoffe einfach, dass wir den Fans und Zuschauern noch mehr Spektakel bieten können. Heute war ein guter Anfang."
Die früheren Real-Teamkollegen Cristiano Ronaldo und Karim Benzema (v.l.) erzielten alle vier Treffer beim Duell Portugal gegen Frankreich. (Quelle: Panoramic/imago images)
Mbappé dürften die Worte seines Mannschaftskollegen nicht getröstet haben. Immer noch wartet der Torschützenkönig der französischen Ligue 1 (27 Treffer in 31 Einsätzen für Paris Saint-Germain) auf das erlösende erste Tor bei der EM. Die zwei Assists in drei Spielen sind für den bei "Les Bleus" zumeist auf der linken Außenbahn gebundenen 22-Jährigen vermutlich nur ein schwacher Trost. Zumindest steht er mit diesen zwei Scorerpunkten immer noch deutlich besser da als Englands Foden: Der 21-Jährige kann bislang nämlich gar nichts Belastbares vorweisen.
Ihre Unbekümmertheit, gepaart mit ihrer athletischen Schnelligkeit, mag Mbappés und Fodens großes Qualitätsmerkmal sein, bei der EM zeigt sich jedoch, in welchen Kinderschuhen die Karriere der beiden noch steckt. Zwar ist Mbappé bereits seit 2017 Nationalspieler und wurde 2018 als Stammspieler Weltmeister, doch will er sich bei dem paneuropäischen Turnier für die Weltfußballer-Auszeichnung empfehlen, dürfen ihm Unkonzentriertheiten wie in den Vorrundenpartien nicht passieren.
Was Mbappé von Routinier Benzema noch unterscheidet
Gegen Deutschland wurden Mbappé ein Weltklassetreffer und eine Vorlage auf Benzema wegen Abseitsstellung zurückgepfiffen. Der 22-Jährige wirkt im bisherigen Turnier zu häufig wie ein übereifriger Sprinter, der den Startschuss nicht abwarten kann. Die Ruhe und Besonnenheit Benzemas würde ihm guttun.
Vom 33-jährigen Stürmer von Real Madrid sind überstürzte Antritte, wie sie Mbappé ein ums andere Mal hinlegt, weder bekannt noch zu erwarten. Nach 17 Profijahren muss er niemandem mehr etwas beweisen. Es gibt kaum eine Offensivaktion, die er in dieser Zeit nicht bereits erlebt hat. Dieser enorme Erfahrungsschatz war es auch, der sein zwischenzeitliches 2:1 gegen Portugal ermöglichte.
Benzema, clever zwischen den beiden portugiesischen Innenverteidigern Ruben Dias und Pepe positioniert, sieht, dass Paul Pogba an der Mittellinie Raum und Zeit hat. Der Routinier liest die Situation gedankenschnell, sieht, dass die vertikalen Lösungen für Pogba zugestellt sind – und tritt zum Lauf in die Spitze an. Dabei joggt Benzema eher als zu sprinten, wohlwissend, wo Pogbas wohltemperierter Schlag ihn erwarten wird. Mit nur einer Ballberührung schiebt er den Ball mithilfe des Innenpfostens ins lange portugiesische Eck. Ein Tor wie aus einem Mittelstürmer-Schulbuch. Zum Vergleich: Kurz zuvor, in der ersten Hälfte, hatte Mbappé aus ähnlicher Situation den Ball überhastet zentral auf den Körper des herauseilenden portugiesischen Keepers Rui Patricio gezimmert.
Ronaldos große Qualität und welches Talent sich daran ein Beispiel nimmt
Was werden Mbappé und Foden ändern, sich bei der alten Garde abgucken müssen, wenn sie dieser EM noch ihren Stempel aufdrücken wollen?
Eine schwierige Frage, auf die es nicht die eine patentierte Antwort gibt. Klar ist jedoch: Beide hochveranlagten Talente werden sich hinterfragen müssen, ob sie sich in der Nationalmannschaft auch mit einer untergeordneten Rolle arrangieren können, wenn es dem Teamerfolg zunutze kommt. So hat Foden nach enttäuschenden Leistungen seinen Startelfplatz bei den Engländern bereits verloren. Im letzten Gruppenspiel rückte Arsenals 19-jähriges Versprechen Bukayo Saka für ihn ins Team – und wurde prompt von der Uefa für sein erfrischend-kreatives und mannschaftsdienliches Spiel als "Star des Spiels" ausgezeichnet.
Während Mbappé bereits mit dem Anspruch ins Turnier gestartet ist, seinen Status als kommender Serien-Weltfußballer zu untermauern, und Foden mit seiner Frisur weitere Vergleiche mit dem legendären Paul Gascoigne provozierte und damit den Hype um seine Person völlig aus dem Ruder laufen ließ, berücksichtigte Saka einen Gedanken, den man auch dem 178-maligen portugiesischen Nationalspieler Cristiano Ronaldo in jeder Szene der Partie gegen Frankreich ansah: Dass er zu den besten Fußballern seines Landes zählt und mit der Nationalmannschaft auf dem Platz steht, ist nicht selbstverständlich. So oft Ronaldo auch als Selbstdarsteller gegängelt wurde: Wenn er das Trikot der "Seleção" überstreift, zählen für ihn weder individuelle Auszeichnungen noch blondierte Haare, sondern nur die 90 Minuten auf dem Platz.
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