
Tom Hanks in »Finch«: Die eine Hälfte der Familie ist aus Fleisch und Blut, die andere aus Metall
Foto: Karen Kuehn / Apple TV+Dass Tom Hanks jemandem in einem Film Gewalt antut, kommt eher selten vor. In dem Endzeitdrama »Finch«, das nach einer globalen Katastrophe spielt, raubt er einem seiner Gefährten das Augenlicht: Er schraubt einem Roboter, den er selbst gebaut hat, eine Kameralinse heraus, um sie einem neuen Modell einzusetzen. Hanks spielt dies mit so viel sanftmütiger Empathie für die Blechkiste, dass man als Zuschauer kaum anders kann, als gerührt zu sein. Und schon ist man mittendrin in einem Film, der die Grenze zwischen Mensch und Maschine erkundet.
Der Ingenieur Finch hat eine Katastrophe, die weite Teile der Erde verwüstet hat, in einer Bunkeranlage überlebt. Ab und zu wagt er sich noch oben ans gleißende Tageslicht. Es ist so intensiv, dass es seine Haut ohne Schutzanzug binnen Kurzem verbrennen würde. Mit einem Roboter durchstreift er die Gegend auf der Suche nach Brauchbarem, vor allem nach Futter für seinen Hund. Immer häufiger läuft Finch Blut aus der Nase oder aus dem Mund, er weiß, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Also baut er einen zweiten, höher entwickelten Roboter, der sich nach seinem Tod um den Hund kümmern soll.
Filme über (zumeist männliche) Helden in postapokalyptischen Welten bilden ein eigenes Genre. Die Hauptfiguren irren durch Wüsten wie in »Mad Max«, segeln über das Meer wie in »Waterworld« oder stapfen durch Ruinenlandschaften wie in »I Am Legend«. Sie sind einsame Streiter, deren Glauben an das Gute im Menschen erschüttert ist, und zugleich Krieger im Überlebenskampf. Man könnte also sagen, dass Hanks für einen Film dieses Genres nicht unbedingt eine naheliegende Besetzung ist. Andererseits hat er eine Figur wie Finch schon mal gespielt: in der Robinson-Crusoe-Variation »Cast Away – Verschollen«, als Paketbote Chuck, der nach einem Flugzeugabsturz auf einer entlegenen Insel strandet.
Aus dem gleichen Impuls, aus dem Chuck einen angeschwemmten Volleyball »Wilson« nennt und ihn zu seinem Gefährten macht, baut Finch seine Roboter. Den wenigen Menschen, die noch leben, geht er lieber aus dem Weg, weil er mit ihnen Schlimmes erlebt hat. Doch er sehnt sich nach einem Gegenüber, mit dem er Gespräche führen kann. So wird »Finch« zu einem Familienfilm, in dem die eine Hälfte der Sippe aus Fleisch und Blut ist und die andere aus Metall. Staunend wie ein kleines Kind betrachtet der Roboter Jeff anfangs seine Hände, fasziniert davon, was er alles mit ihnen machen kann. Später bringt Finch ihm bei, wie man einen Schritt vor den anderen setzt, ohne umzufallen, oder wie man Auto fährt. Jeff wird für ihn zu einem Ersatzsohn, der sehr schnell lernt und im Nu erwachsen wird.
Abgeklärte Melancholie
Dieser Film könnte leicht in den Kitsch abdriften. Doch er ist von einer tiefen, abgeklärten Melancholie durchdrungen und zugleich von Hoffnung getragen: Der eine Held stirbt, doch der andere tritt ins Leben. Dem britischen Regisseur Miguel Sapochnik, der unter anderem einige Episoden von »Game of Thrones« inszeniert hat, macht aus Jeff einen liebenswerten Protagonisten, ohne ihn zu sehr zu verniedlichen. Jeff ist eine künstliche Intelligenz, die sich ans Menschsein herantastet und dabei oft danebengreift – zu Finchs Leidwesen. Geschickt steuern Sapochnik und Hanks bei drohender Rührseligkeit mit Witz und Lakonie gegen.
»Finch« wurde schon im Frühjahr 2019 gedreht – ursprünglich für die Leinwand. Als während der Pandemie die Kinos schließen mussten, wurde erst der Starttermin verschoben und der Film dann an den Streamingdienst Apple TV+ verkauft, der ihn nun zeigt. Das Kriegsspektakel »Greyhound«, in dem Hanks den Kapitän eines Zerstörers spielt, ereilte bereits das gleiche Schicksal, der Schauspieler zählt zu den besonders Corona-geschädigten Hollywoodstars. Doch während »Greyhound« auf dem Bildschirm vielleicht sogar besser aufgehoben war als auf der Leinwand, ist dies bei »Finch« anders.

Szene aus »Finch«: Nicht nur wegen seiner majestätischen Totalen gehört der Film auf die Leinwand
Foto: Apple TV+Wenn sich der Titelheld mit seiner Ersatzfamilie auf den Weg macht, um für sie etwas Besseres als den Tod zu finden, durchquert er einige der großartigsten Landschaften der USA. Eine Sequenz spielt vor Shiprock, einer steil aus der Wüste aufragenden Felsformation und heiligen Stätte der Ureinwohner im Nordwesten New Mexicos. Vor dieser majestätischen Kulisse kommt der Film zur Ruhe und verweilt dort lange, um über Leben und Tod zu reflektieren und darüber, was von einem Menschen bleibt. Eine der traurigsten, schönsten, bewegendsten Sequenzen, dies es zuletzt in einem Film zu sehen gab.
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