Die Planeten standen günstig, als am 5. September 1977 eine Raumsonde an Bord einer Rakete vom Weltraumbahnhof in Cape Canaveral abhob. Jupiter und Saturn bewegten sich so auf ihren Bahnen, dass die Sonde bei ihrem Vorbeiflug an den Planeten immer neuen Schwung bekam. Ihr Ziel waren die Außenbereiche unseres Sonnensystems. Der Name der Sonde: »Voyager 1«.
Und »Voyager« flog und flog und flog.
Heute ist »Voyager 1« die am weitesten von der Erde entfernte Raumsonde, dicht gefolgt von der Zwillingsmission »Voyager 2«. Vor zwölf Jahren überquerte die Sonde als erstes menschengemachtes Objekt die Außengrenze des Sonnensystems. Seit November war sie allerdings im Blindflug unterwegs – die Übertragung von Daten zur Erde funktionierte nicht mehr. Nun meldete die Nasa einen Erfolg: Nach einer mehrmonatigen Rettungsaktion hat sich »Voyager 1« zurückgemeldet.
Die Suche nach dem Problem glich Detektivarbeit. Die Antennen auf der Erde empfingen von »Voyager 1« in den vergangenen Monaten nur noch ein beständiges, aber unbrauchbares Signal aus Radiowellen – als kämen statt eines Musikstücks nur noch verzerrte Töne an. Als Ursache machten die Ingenieure einen der drei Computer an Bord aus, das sogenannte Flugdaten-Subsystem. Normalerweise bereitet dieses System die Mess- und Betriebsdaten der Sonde auf.
Zerstörerische Teilchen
Mit einem Kniff brachten die Fachleute das System im März dazu, seinen Speicher auszulesen und die Daten an die Erde zu schicken. Der Lösung kamen sie einen Schritt näher, als sie in den Daten Hinweise auf einen kaputten Chip fanden. Nur, wie repariert man einen Chip auf einer jahrzehntealten Sonde außerhalb des Sonnensystems?
Der Chip selbst ließ sich aus der Ferne nicht retten, wohl aber die für den Betrieb wichtigen Informationen, die darauf gespeichert waren. Die Fachleute zerteilten den Computercode auf dem Chip per Fernverbindung zur Sonde in kleine Portionen und legten sie an anderen Stellen des Speichers ab: Das Flugdaten-Subsystem arbeitet nun wieder.
Noch ist das Problem allerdings nicht vollständig gelöst. Bislang kann »Voyager 1« nur Daten über den Status seiner eigenen Instrumente übermitteln, teilte das Jet Propulsion Laboratory der Nasa mit, von dem aus die Sonde gesteuert wird. Man arbeite daran, dass in den kommenden Wochen auch wieder wissenschaftliche Messdaten übertragen werden können.
Jubel im kalifornischen Jet Propulsion Laboratory nach der Reparatur
Foto: JPL-Caltech / NASAFür die Nasa wird der Betrieb von »Voyager 1« zunehmend aufwendiger. Während Programmierer auf der Erde ein Update direkt ausprobieren können, müssen die »Voyager 1«-Experten viel Geduld aufbringen. Wenn die Ingenieure aus dem Jet Propulsion Laboratory einen Befehl zur Sonde schicken, ist er 22,5 Stunden unterwegs. Und genauso lange warten sie auf eine Antwort. Je weiter »Voyager 1« entfernt ist, desto langwieriger werden selbst kleine Updates.
Gleichzeitig häufen sich die Zwischenfälle. Vor zwei Jahren gab es bereits ein anderes Softwareproblem mit der Raumsonde. Damals war das Lagekontrollsystem betroffen. Es stellt unter anderem sicher, dass die Antenne der Sonde in Richtung Erde zeigt. Zwar funktionierte das System noch, meldete einige Wochen lang die Lage der Sonde aber nicht korrekt an die Erde zurück. »Wir erhalten Daten, die wir nicht verstehen«, sagte Suzanne Dodd, Projektleiterin am Jet Propulsion Laboratory in Kalifornien.
Ulrich Walter, Professor für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München, überraschen die vermehrten Ausfälle des Bordcomputers nicht. Sie hätten nicht mit dem Alter der Computertechnik an sich zu tun, aber mit der kosmischen Strahlung. Im interstellaren Raum rasen elektrisch geladene Eisenatome in annähernd Lichtgeschwindigkeit umher. »Diese Teilchen haben so viel Energie«, sagt Walter, »wenn die auf die Elektronik treffen, können sie eine gesamte Leiterplatte ausbrennen.«
Probleme mit der Batterie
Für Astrophysiker sei es dennoch wichtig, dass die Sonde immer wieder repariert werde, sagt Walter. Zwar ist ein wichtiges Messinstrument an Bord schon vor Jahren ausgefallen, dennoch liefere »Voyager« weiter wertvolle wissenschaftliche Daten aus dem sogenannten interstellaren Raum. So könne man beispielsweise messen, wie viel Wasserstoff es in der gigantischen Leere zwischen den Sternen der Milchstraße gibt – und so möglicherweise die Entstehungsgeschichte unserer Heimatgalaxie besser verstehen.
Wie lange »Voyager 1« noch Daten sammelt, ist ungewiss. Ein baldiges Aus droht der Sonde nicht nur wegen der galaktischen Strahlung. Auch ihre Batterie gerät an das Ende ihrer Lebensdauer. In ihr erzeugt radioaktives Plutonium-238 Wärme, die in Strom umgewandelt wird. Weil die Batterie jedes Jahr ein paar Watt Leistung verliert, müssen die Geräte an Bord nach und nach abgeschaltet werden. So könnte zumindest ein Rumpfbetrieb noch viele Jahre möglich sein. Und das wäre besser als nichts.
Nur alle 176 Jahre stehen die Planeten in der Konstellation, dass eine Sonde im Vorbeiflug Schwung holen kann, um an den Rand des Sonnensystems zu fliegen und es schließlich zu verlassen. »Die nächste Chance«, sagt Ulrich Walter, »bekommen wir erst wieder im Jahr 2153.«
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